Über Jahrhunderte fand die Suche nach kreativen Lösungen und Innovationen für praktische Probleme und Herausforderungen oftmals in Apotheken statt. Denn die Apotheke ist seit jeher ein Ort, an dem breites naturwissenschaftliches Wissen mit handwerklichen Fertigkeiten und moderner Technik verbunden wird. Kommt dann noch die Leidenschaft eines Apothekers für das Experimentieren und Tüfteln hinzu, können geniale Erfindungen entstehen.
Wussten Sie etwa, dass ein Apotheker den Rübenzucker entdeckte und damit das Ende der ausbeuterischen Zuckerplantagen in der Karibik einläutete? Oder dass das beliebte Kinderspielzeug Plastilin ursprünglich von einem Apotheker als Hilfsmittel für verzweifelte Bildhauer erfunden wurde? Oder dass die berühmte belgische Praline auf einen Apotheker zurückgeht, der die Einnahme bitterer Arzneimittel mit einem Schokoladenüberzug versüßen wollte?
Bei einigen Erfindungen war der Zufall im Spiel. So entdeckte der britische Apotheker John Walker das Streichholz, als er ein bekleckertes Rührstäbchen nach einem seiner zahlreichen chemischen Experimente am rauen Holzboden abwischen wollte und ihm plötzlich eine kleine Flamme entgegenloderte. Andere Entdeckungen waren hingegen das Resultat jahrelanger akribischer Tüftelei. So forschte der deutsche Apotheker Dr. Friedrich Adolph August Struve zehn Jahre lang, bis er ein Verfahren entwickelt hatte, um künstliches Mineralwasser herzustellen.
Auch Weltkonzerne nahmen in Apotheken ihren Anfang
Manche der Entdeckungen waren zu ihrer Zeit aufsehenerregende Neuerungen, konnten sich auf Dauer jedoch nicht durchsetzen. So begeisterte die Brieftaubenfotografie von Dr. Julius Neubronner dessen Zeitgenoss:innen mit Fotoaufnahmen aus völlig neuen Perspektiven,die langfristige Etablierung gelang jedoch nicht. Andere Erfindungen wie das Heftpflaster von Paul Carl Beiersdorf oder das Backpulver von Dr. August Oetker wurden zur Grundlage für das Entstehen von weltbekannten Unternehmen und begegnen uns noch heute als nützliche Produkte im Alltag.
Erfindungen aus Österreich: Desinfektionsmittel, Gasbeleuchtung und Fantaschale
Unter den forschenden Apothekern haben sich auch einige Österreicher hervorgetan. So entwickelte Dr. Gustav Adolf Raupenstrauch im ausgehenden 19. Jahrhundert in Wien das erste Desinfektionsmittel der Welt. »Lysol«, wie Raupenstrauch seine Erfindung nannte, bestand seine erste große Bewährungsprobe während der Cholera-Epidemie in Hamburg im Jahr 1892. Auch zur Bekämpfung der Spanischen Grippe kam Lysol ab 1918 in großem Umfang zum Einsatz. Zahlreiche in den folgenden Jahrzehnten neu entwickelte Desinfektionsmittel basierten auf Raupenstrauchs Idee und Verfahren. Ebenfalls in Wien feilte der Apotheker Josef Moser beharrlich an der Umsetzung eines Geistesblitzes. 1816 gelang es ihm nach einer Reihe von Experimenten, ein Gas aus Harz herzustellen und dieses zum Leuchten zu bringen. Kurz darauf beleuchtete er damit die Auslage seiner Apotheke – eine Sensation in der damaligen Zeit. Sogar Kaiser Franz I. stattete Mosers Apotheke in der Vorstadt Josefstadt einen Besuch ab, um die neuartige Beleuchtungstechnik zu inspizieren. Die Entdeckung des Apothekers wurde rasch auf andere Anwendungsbereiche übertragen. Schon zwei Jahre später wurden im Wiener Stadtzentrum die ersten Gaslaternen zur Straßenbeleuchtung in Betrieb genommen.
Eine ebenso einfache wie robuste Erfindung eines österreichischen Apothekers wird noch heute in fast jeder Apotheke verwendet: Max Fanta entwickelte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine Reibschale aus Blech-Emaille (»Fantaschale«), um die Zubereitung von Salben, Cremes und Gelen zu vereinfachen. Das neue Rezepturhilfsmittel war mit seinen dünnen, glatten Gefäßwänden widerstandsfähig, erhitzbar und leichter als Reibeschalen aus Porzellan. Die einzelnen Bestandteile der Rezeptur konnten somit direkt auf der Tara-Waage in die Schale »hineingewogen« werden.
Ein Apotheker als Lampen- und Erdölpionier
Eng mit Österreich und Wien verbunden war auch die Lebensgeschichte von Jan Jozef Ignacy Łukasiewicz. Im damaligen Kaiserreich Österreich aufgewachsen und gut ausgebildet, gelang es dem polnischen Apotheker gemeinsam mit einem weiteren Apotheker, Jan Zeh, und dem Blechschmied Adam Bratkowski, klares, dünnflüssiges Petroleum herzustellen und 1853 die erste Petroleumlampe zu entwickeln. Mit ihrem hellen, sauberen Licht wurden diese Lampen bald zu einem Verkaufsschlager. Darüber hinaus war der Apotheker ein Pionier der Erdölgewinnung. Infolge seiner Tätigkeit entwickelte sich das Karpatenvorland Galiziens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur drittgrößten Erdölregion der Welt.
Das amerikanische Nationalgetränk stammt aus der Apotheke
In den USA geht das berühmte Nationalgetränk auf einen Apotheker zurück. Nach dem Bürgerkrieg (1861–1865) experimentierte John Stith Pemberton in seinem Labor mit vielen verschiedenen Kräutern und Pflanzenstoffen – auch, um eine Alternative zum Morphium zu finden, dem er seit der Behandlung einer Kriegsverletzung verfallen war. Besonders angetan hatten es Pemberton die peruanische Kokapflanze und die afrikanische Kolanuss, die im Ruf standen, eine stärkende und aphrodisierende Wirkung zu haben. Als er im Jahr 1886 einen daraus gewonnenen Sirup mit Sodawasser mischte, hatte er – ohne es zu beabsichtigen – Coca-Cola erfunden. Konkurrenz bekam er wenig später von einem weiteren Apotheker aus den USA: Caleb Bradham mischte im Sommer 1983 kohlensäurehaltiges Trinkwasser mit Zucker, Pepsin, Kolanüssen, Vanille und Öl. Aus diesem sogenannten »Brad’s Drink« wurde schon bald »Pepsi-Cola«.
Innovationen gegen Zahnfäulnis und Halsschmerzen
Natürlich tüftelten Apotheker auch früher an Lösungen für die Gesundheitsprobleme ihrer Zeitgenoss:innen. So sagten die deutschen Apotheker Oscar Troplowitz (»Pebeco«) und Ottomar Heinsius von Mayenburg (»Chlorodont«) Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig voneinander der Zahnfäulnis den Kampf an, entwickelten die ersten Zahnpastas und trugen damit wesentlich zur Verbesserung der allgemeinen Mundhygiene bei. Der hartnäckigen Hals- und Bronchialbeschwerden von Hochseefischern nahm sich der britische Apotheker James Lofthouse an. Er entwickelte eine Tinktur aus Menthol, Eukalyptus und Lakritze, die das Krächzen der Seeleute linderte. Da die Glasfläschchen jedoch auf hoher See häufig zu Bruch gingen, verdickte er die Tinktur und stanzte Pastillen aus. Diese konnten die Seeleute bequem in einer Blechdose in der Hosentasche aufbewahren und lutschen, wenn der Hals wieder einmal kratzte. Die Fischer bezeichneten sie schon bald als ihre »Freunde« – der Name »Fisherman’s Friend« war geboren.
Auffällig ist, dass sich unter den Apothekern, die sich in der Geschichte als Erfinder einen Namen gemacht haben, nur Männer befinden. Das liegt primär darin begründet, dass auch der Apothekerberuf in den vergangenen Jahrhunderten fast ausschließlich Männern vorbehalten war. Das hat sich inzwischen glücklicherweise geändert, und zukünftige Generationen werden sicherlich auch von Erfindungen und Entdeckungen von Apothekerinnen berichten können. Denn trotz der enormen technologischen Fortschritte im 20. und 21. Jahrhundert gibt es auch in unserer Zeit noch viele Probleme und gesundheitliche Herausforderungen, die auf kreative und intelligente Lösungen durch kluge Köpfe warten.