Die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu jeder Tages- und Nachtzeit ist der zentrale Auftrag für die österreichischen Apotheker:innen. Das ist keine leichte Aufgabe, denn jeden Tag strömen mehr als eine halbe Million Menschen mit verschiedensten Beschwerden und gesundheitlichen Bedürfnissen in die heimischen Apotheken. Damit jede/r das passende Medikament in der Apotheke bekommt, ist im Hintergrund ein komplexes Logistiksystem aktiv, bei dem der pharmazeutische Großhandel eine zentrale Rolle spielt.
6.000 verschiedene Medikamente hat jede österreichische Apotheke durchschnittlich auf Lager, um die Menschen in ihrer Umgebung zuverlässig versorgen zu können. Hinzu kommt eine Vielzahl an hochwertigen Gesundheitsprodukten. Um dieses breite Angebot für die Bevölkerung permanent bereitstellen zu können und nicht vorrätige Medikamente rasch für die Patient:innen beschaffen zu können, sind kontinuierliche (Nach-)Bestellungen der Apotheken beim pharmazeutischen Großhandel nötig. Diese Sammelbestellungen erfolgen i.d.R. mehrmals täglich – entweder teilautomatisiert über die Apothekensoftware oder telefonisch durch Mitarbeiter:innen der Apotheken. Die täglichen Bestell- und Lieferzeiten vereinbart jede Apotheke individuell mit den Großhändlern, die sie beliefern.
Auslieferung schon rund 30 Minuten nach Bestelleingang
Gelangt eine Bestellung bei einem Großhändler ein, wird dort ein hocheffizienter Bearbeitungsprozess in Gang gesetzt, um die benötigten Medikamente so rasch wie möglich in die Apotheke zu bringen. Ein spezieller Kunststoff-Behälter wird automatisch mit der Bestellung einer bestimmten Apotheke verknüpft, nimmt dann in den riesigen Lagerhallen der Großhändler seinen Weg durch ein Labyrinth von mehrebigen Rollbahnen und wird von Mitarbeiter:innen in der Kommissionierung mit den einzelnen Artikeln der Bestellung befüllt. Bei den neusten, hochautomatisierten Systemen werden alle Artikel einer Bestellung sogar aus verschiedenen Lagerbereichen direkt zu einzelnen Mitarbeiter:innen transportiert, die diese dann mit nur wenigen Handgriffen in eine Kiste laden und somit den ganzen Auftrag alleine bearbeiten können. Zur finalen Kontrolle wird die Kiste samt Inhalt gewogen, denn durch die präzise Addition der Einzelgewichte der bestellten Artikel kann sehr zuverlässig ermittelt werden, ob die Bestellung korrekt bearbeitet wurde oder ein (sehr seltener) Fehler vorliegt, der manuell korrigiert werden muss. Anschließend wird der fertig befüllte Behälter zur Laderampe befördert, von wo aus er via Transportfahrzeug zur bestellenden Apotheke gebracht wird. Die durchschnittliche Bearbeitung dauert vom Eingang der Bestellung beim Großhändler bis zum Abtransport der fertig befüllten Kiste im Schnitt nur rund 30 Minuten.
Apotheken werden mehrmals täglich beliefert
Je nach geografischer Lage und individuellen Faktoren (u.a. Größe der Apotheke, Kundenfrequenz, fachlicher Schwerpunkt und demographische Situation im Umfeld der Apotheke) wird jede Apotheke in Österreich von den pharmazeutischen Großhändlern mehrmals pro Tag und teilweise auch in der Nacht beliefert. Um das logistisch bewältigen zu können, betreiben die fünf österreichischen Voll-Großhändler - „voll“ steht für „vollsortiert“ - 23 Lagerstandorte, die über ganz Österreich verteilt sind. Binnen zwei Stunden kann dadurch jede der 1.450 Apotheken mit Medikamenten für ihre Patient:innen beliefert werden, auch an Samstagen sowie an Fenster- und vor Feiertagen. Pro Jahr liefert der pharmazeutische Großhandel insgesamt über 200 Millionen Packungen an die Apotheken. Neben Fertigarzneimitteln umfasst das Sortiment der Großhändler, die ebenso wie die Apotheken zur kritischen Infrastruktur zählen, auch diverse Rohstoffe (u.a. zum Herstellen von magistralen Zubereitungen in den apothekeneigenen Labors), pflanzliche Arzneimittel, Medikalartikel (z.B. Verbände, Pflaster oder ätherische Öle), Geräteartikel (z.B. Salbentiegel oder Präzisionswaagen), Veterinärartikel und Kosmetika. Für kühlpflichtige Arzneimittel (z.B. Impfstoffe) gibt es spezielle Kühlboxen, damit die Kühlkette nicht unterbrochen wird.
„Blitze“ für besonders dringende Fälle
Auf einer Transport-Tour werden in der Regel vier bis sechs Apotheken von den Fahrer:innen des jeweiligen Großhändlers beliefert. Pro Apotheke umfasst eine Lieferung im Schnitt über 100 Packungen von unterschiedlichen Herstellern. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass ein einzelnes Medikament sofort benötigt wird, beispielsweise weil sonst eine gefährliche Therapieunterbrechung droht. Dann wird ein „Blitz“ auf die Reise geschickt – also ein Transport, der das dringend benötigte Medikament schnellstmöglich zur bestellenden Apotheke bringt. Solche Einzelbestellungen stellen natürlich einen enormen Aufwand dar, sind aber in manchen Fällen einfach notwendig. Grundsätzlich versuchen die Großhändler aber natürlich die Auslieferung von Bestellungen aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen zu bündeln.
Lieferengpässe als Herausforderung für den Großhandel und die Apotheken
Trotz dieser komplexen Logistik im Hintergrund kommt es immer wieder vor, dass ein Medikament nicht lieferbar und dann auch in der Apotheke nicht verfügbar ist. Denn nachdem der pharmazeutische Großhandel jeden Tag Hunderttausende Medikamente an die Apotheken ausliefert, ist er selbst auf zuverlässige Nachlieferungen durch die Herstellerfirmen angewiesen. Bleiben diese Nachlieferungen z.B. aufgrund von Lieferkettenproblemen im Produktionsprozess aus, leeren sich die Regale trotz eines Sicherheitspuffer rasch. Kurzfristige Engpässe können die Apotheken bei einigen Arzneimitteln durch magistrale Zubereitungen in den apothekeneigenen Labors abfedern, aber längerfristige Ausfälle von wichtigen Fertigarzneimitteln können dadurch quantitativ nicht kompensiert werden. In einer Welt mit globalisierten Lieferketten und Warenströmen sowie einer inzwischen stark von Asien dominierten Arzneimittelproduktion hat der pharmazeutische Großhandel - ähnlich wie die Apotheken - nur einen sehr geringen Einfluss auf die Verfügbarkeit mancher Medikamente. Der Umstand, dass Österreich bei Arzneimitteln ein Niedrigpreisland ist und von den Herstellern darum andere Märkte bevorzugt werden, macht die Sache nicht einfacher. Wie die Apothekerkammer plädiert darum auch der Verband der Österreichischen Arzneimittelvollgroßhändler (PHAGO) dafür, wieder verstärkt Arzneimittelproduktion in Europa möglich zu machen.