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Nach Unfällen gut und sicher versorgt

In multiprofessionellen Teams tragen Klinische Pharmazeut:innen zur Genesung und Arzneimitteltherapiesicherheit von Unfallpatient:innen in Spitälern bei

Unfälle können uns leider in jedem Lebensbereich und zu jeder Tages- und Nachtzeit ereilen. Umso wichtiger ist es, dass jede Unfallpatientin, jeder Unfallpatient bestmöglich versorgt wird – und das geschieht in immer mehr Spitälern unter tatkräftiger Mitarbeit von Klinischen Pharmazeut:innen.  Eingebunden in multiprofessionelle Teams leisten die Apotheker:innen auf den Unfallstationen einen wertvollen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit und zur Genesung der Patient:innen.

„Bei uns gibt es eine tolle Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Pflegekräften und Pharmazeut:innen. Wir können jeden Tag voneinander lernen und die Patienten profitieren von den verschiedenen Blickwinkeln und Kompetenzen der einzelnen Berufsgruppen“, berichtet Mag. Lukas Böck, der als klinischer Pharmazeut in der Anstaltsapotheke des Universitätsklinikum AKH Wien arbeitet. Der Krankenhausapotheker ist den unfallchirurgischen Stationen im AKH Wien zugeteilt und kümmert sich primär darum, arzneimittelbezogene Probleme (z.B. Nebenwirkungen oder Interaktionen) zu erkennen und diese zu minimieren. Auf den Unfallstationen werden Erwachsene in allen Altersgruppen behandelt – vom Fahranfänger nach einem Verkehrsunfall bis zur hochbetagten Seniorin, die im Pflegeheim gestürzt ist und sich den Schenkenhals gebrochen hat. 

Medikation der Patient:innen wird täglich überprüft

Jeden Tag nehmen die vier Klinischen Pharmazeut:innen, von denen jede/r für eine der Unfallstationen im AKH Wien zuständig ist, die Patientenakten („Fieberkurven“), in denen die tägliche Medikation eingetragen ist, gewissenhaft unter die Lupe. Sie überprüfen, ob es bei der Medikation Risiken oder Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Gerade bei älteren Menschen mit einer langen Medikationsliste ist das keine triviale Aufgabe. Ab fünf dauerhaft gleichzeitig eingenommenen Medikamenten spricht man bereits von Polypharmazie, viele ältere Patient:innen müssen jedoch täglich noch sehr viel mehr Medikamente einnehmen. Neben dem Alter der Patient:innen fließen Faktoren wie die Diagnose(n), die Begleiterkrankungen, der Unfallhergang, die bereits vor dem Unfall bestehende Medikation, mögliche Allergien, die Art und der Zeitpunkt der Operation sowie Laborparameter wie z.B. Kreatinin- oder Elektrolytwerte und Anzeichen für eine Infektion in die Überlegungen der Krankenhausapotheker:innen ein.

„Bei neu aufgenommenen Patient:innen ist manchmal etwas Detektivarbeit erforderlich, da die wenigsten Unfallopfer eine vollständige Medikationsliste dabei haben“, schmunzelt Mag. Karla Singeorzan, ebenfalls Klinische Pharmazeutin im AKH Wien und Kollegin von Böck. Hier gilt es sich anhand verschiedener Quellen (u.a. Gespräche mit dem Patienten, der Patientin, Daten aus der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), Auskünfte von Verwandten oder einer Betreuungseinrichtung) so rasch wie möglich ein genaues Bild von der aktuellen Medikation jedes Patienten, jeder Patientin zu machen. Gerade bei älteren Patient:innen mit einer langen Medikationsliste geht es auch darum zu prüfen, ob für jedes Medikament tatsächlich noch eine Indikation besteht oder ob womöglich das Absetzen vergessen wurde.

Gemeinsame Visite mit Ärzt:innen und Pflegekräften

Direkt in Kontakt mit den Patient:innen kommen die Klinischen Pharmazeut:innen im Rahmen der Visite. Gemeinsam mit den zuständigen Ärzt:innen und Pflegekräften besuchen sie die Patient:innen auf der Station und verschaffen sich einen Eindruck vom aktuellen Gesundheitszustand. Im Rahmen der Visite besprechen sie mit den  Vertreter:innen der beiden anderen Gesundheitsberufe auch die bestmögliche medikamentöse Therapie für jeden Patienten, jede Patientin und ob Anpassungen erforderlich sind. Die Krankenhausapotheker:innen bringen dabei ihre pharmazeutische Expertise ein und geben unter Berücksichtigung patientenindividueller Faktoren wie aktueller Organfunktion oder Unverträglichkeiten evidenzbasierte Empfehlungen zur Optimierung der Arzneimitteltherapie.

„Die klinische Pharmazie hat bei uns schon viele Leben gerettet“

„Der Beitrag der Klinischen Pharmazeut:innen ist sehr wichtig für uns. Gerade bei geriatrischen, multimorbiden Patient:innen, die viele Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen, ist ihre Expertise sehr hilfreich, da sie sich im Bereich der Pharmakodynamik und Pharmakokinetik sehr gut auskennen und beispielsweise auf Interaktionen hinweisen, die wir Ärzte nicht auf dem Radar haben“, berichtet Dr. Thomas Haider, der als Unfallchirurg im Universitätsklinikum AKH Wien tätig ist und gut mit den Krankenhausapotheker:innen zusammenarbeitet. Auch Erich Tangl empfindet die Zusammenarbeit als sehr positiv: „Viele Patient:innen, die zu uns kommen, waren außerhalb des Krankenhauses schon bei vielen verschiedenen Ärzten und dabei haben sich oftmals sehr viele Medikamente angesammelt, die sich teils untereinander nicht vertragen. Die Apotheker:innen erkennen das und geben entsprechende Hinweise. Die Klinische Pharmazie hat bei uns schon viele Leben gerettet“, betont der Stationsleiter Pflege auf der Unfallstation 19E.

Um sicherzustellen, dass es nach der Entlassung nicht zu Unklarheiten in der Medikation der Patient:innen kommt, geben die Klinischen Pharmazeut:innen Empfehlungen dazu ab, welche Medikamente nach dem Krankenhausaufenthalt weiterhin eingenommen werden sollen und welche abgesetzt werden können. Diese Hinweise fließen dann entsprechend nach ärztlicher Absprache in den Entlassungsbrief ein. Sollten während des Aufenthaltes im Krankenhaus auf der Unfallstation Medikamente benötigt werden, die es nicht als Fertigarzneimittel gibt, werden diese magistral von Krankenhausapotheker:innen hergestellt (z.B. Pflegesalben mit bestimmten Wirkstoffkombinationen). Und da pharmazeutische Expertise im Krankenhaus auch nachts oder an Feiertagen gebraucht wird, gibt es in der AKH-Anstaltsapotheke ähnlich wie in den öffentlichen Apotheken einen Bereitschaftsdienst. Lukas Böck, Karla Singeorzan oder eine Kollegin/ein Kollege steht dann auch außerhalb der regulären Arbeits-/Öffnungszeiten als Ansprechpartner:in  für die Unfallstationen und andere Stationen zur Verfügung. „Für uns in der Pflege ist das eine große Hilfe - beispielsweise bei Neuaufnahmen in der Nacht, bei denen dringend eine pharmazeutische Einschätzung benötigt wird“, berichtet Stationsleiter Tangl.

Leider ist die Einbindung von Klinischen Pharmazeut:innen in die tägliche Versorgung der Patient:innen, wie sie im Universitätsklinikum AKH Wien bereits vorbildhaft praktiziert wird, noch nicht in allen österreichischen Spitälern Standard. Im Sinne der Patient:innen bleibt zu hoffen, dass sich viele andere Spitäler ein Beispiel am Wiener Modell nehmen und durch den verstärkten Einsatz von Krankenhausapotheker:innen im Bereich der Klinischen Pharmazie die Arzneimitteltherapiesicherheit für ihre Patient:innen weiter erhöhen.