Zusammenhang zwischen Arzneimittelversorgung und Kampfkraft früh erkannt
Bereits während der Türkenkriege und anderer Konflikte des Habsburgerreiches wurde erkannt, dass eine effektive medizinisch-pharmazeutische Versorgung mitentscheidend für die Kampfkraft der Truppen war, und es wurde damit begonnen, erste Militärapotheken im Zuge großer Feldzüge einzurichten. Mit den napoleonischen Kriegen und der zunehmenden Größe der österreichischen Armee wuchs der Bedarf an einer strukturierten Arzneimittelversorgung. Militärapotheker – damals war der Beruf Männern vorbehalten – wurden als spezialisierte Fachkräfte fest in das Gesundheitssystem des Militärs integriert und spielten auch bei der Bekämpfung von Epidemien eine wichtige Rolle, die in militärischen Lagern häufig vorkamen (z.B. Typhus oder Cholera).
Während des Ersten Weltkriegs wurden Militärapotheker in großer Zahl mobilisiert. Sie arbeiteten in Feldapotheken, Feldlazaretten und mobilen medizinischen Einheiten. Ihre Hauptaufgaben waren die Herstellung, Lagerung und Ausgabe von Arzneimitteln. Im zweiten Weltkrieg übernahmen Militärapotheker ähnliche Aufgaben, oft unter sehr schwierigen Bedingungen. Ihre Arbeit war wichtig für die Versorgung von Soldaten an der Front sowie in Feldlazaretten und rettete in einer finsteren Zeit viele Leben.
Diese historischen Aufnahmen stammen aus der Diplomarbeit „Mörser und Pastillen: Die k.u.k. Militärpharmazie im Ersten Weltkrieg" von MMag. Dr. Thomas Rehor.
Pharmazeutische Versorgung von internationalen Friedensmissionen
Durch die lange Periode des Friedens in Europa ab 1945 beschränkten sich die Auslandseinsätze des Bundesheeres in den vergangenen Jahrzehnten glücklicherweise auf Beteiligungen an internationalen Friedensmissionen, wie derzeit mit größeren Kontingenten im Libanon, im Kosovo oder in Bosnien. Doch auch bei diesen Einsätzen ist die Expertise von Militärapotheker:innen gefragt. Internationale Camps mit bis zu 2.000 Soldat:innen werden von den Pharmazeut:innen des Bundesheeres mitbetreut. „Beispielsweise betreibt Österreich in Bosnien die sanitätsdienstliche Versorgung im ‘International Medical Center‘ auch für dort stationierte ausländische Soldaten:innen und wir sind für die Ausstattung und Kontrolle der Arzneimitteldepots zuständig,“ berichtet Oberstapotheker Mag. Richard Wosolsobe. Die Beschaffung der Arzneimittel und Medizinprodukte erfolgt bei Verfügbarkeit und belastbarer Sicherheitslage teils über sichere Quellen vor Ort. Primär wird der Bedarf aber über die militärische Folgeversorgung am Land- oder Luftweg aus Österreich bzw. dem EU-Raum abgedeckt.
Im Mobilmachungsfall müssten aber noch deutlich mehr Soldat:innen medizinisch und pharmazeutisch versorgt werden. „Für eine Brigade von etwa 3.000 Soldat:innen benötigt man eine Feldambulanz (Feldspital) und vier (Feld-) Sanitätsstationen. Um eine Feldambulanz, in der chirurgische Eingriffe wie in einem normalen Krankenhaus möglich sind, erfolgreich betreiben zu können, braucht man wiederum eine Feldapotheke, die die erforderlichen Medikamente, Medizinprodukte und Reagenzien beschafft und fortlaufend zur Verfügung stellt“, erklärt Mag. Wosolsobe. Zusätzlich zu den hauptberuflichen Militärapotheker:innen würden im Mobilmachungsfalle noch 20 bis 30 Apotheker:innen, die der Miliz angehören, hinzukommen, um die Soldat:innen pharmazeutisch zu betreuen.
Je nach Art des Konfliktes und der zu erwartenden Verletzungsmuster und Erkrankungen unterscheidet sich der Bedarf an Medikamenten und Medizinprodukten natürlich deutlich von jenen in Friedenszeiten. Schuss-, Explosions-, Brand- oder Splitterverletzung bedürfen einer anderen Versorgung als Grippe, Allergien oder Sportverletzungen. Auch spezielle Gerätschaften zur Arzneimittelherstellung im Feld können zum Einsatz kommen – beispielsweise eine Sauerstoffproduktionsanlange, die in der Lage ist, aus der Umgebungsluft medizinischen Sauerstoff zu erzeugen. Die korrekte Handhabung der Geräte erfordert Übung in Friedenszeiten. „Wenn das Personal nicht mit den Gerätschaften trainiert, ist eine erfolgreiche Arzneimittelherstellung mit den Gerätschaften im Einsatz auch nicht gewährleistet“, betont Mag. Wosolsobe.
„Airpower“-Flugschau als Übungsgelegenheit für die Feldapotheke
Eine gute Gelegenheit, um einen Teil der sanitätsdienstlichen Strukturen und Einrichtungen einschließlich einer Feldapotheke unter realen Bedingungen zu erproben, ist die „Airpower“ im steirischen Zeltweg. Rund 6.700 Soldat:innen und Bedienstete des Bundesheeres, sowie täglich bis zu 150.000 Besucher:innen befinden sich während der großen Flugschau des Bundesheeres auf dem Veranstaltungsgelände. Das Sanitätskonzept deckt alle Szenarien, von der Versorgung einzelner Menschen mit hitzebedingten Kreislaufproblemen bis hin zum Einsatz von gehärteten Allschutzfahrzeugen („Dingo“), um Schwerverletzte im Falle eines Flugzeugabsturzes aus kontaminiertem Gelände rasch evakuieren zu können, ab. „Wir betreiben vor Ort eine Feldapotheke, die binnen weniger Stunden in einem mobilen Container aufgebaut wird und für alle Szenarien inklusive eines Massenanfalls an Verletzten ausgestattet ist. So verfügen wir bei der ‘Airpower’ beispielsweise über einen Vorrat an speziellen Brandwundverbandssätzen“, berichtet Oberstapotheker Dr. Oliver Lecnik, dem als operativ leitenden Pharmazeut des Bundesheeres u.a. die Arzneimittel- und Medizinproduktegebarung für Großveranstaltungen obliegt. Bei der „Airpower“ nimmt dieser Prozess rund 8 bis 10 Monate Vorbereitung in Anspruch und durch kann durch zahlreiche externe Faktoren (bewaffnete Konflikte, unterbrochene Lieferketten,…) beeinflusst werden.
Robuste Thermobox trotzt extremen Außentemperaturen
Um temperaturlabile Medikamente sicher zu lagern oder auf außergewöhnlich hohe oder niedrige Außentemperaturen regieren zu können, stehen der Feldapotheke spezielle Thermoboxen, in der Arzneimittel bei einer konstanten Temperatur in einem Bereich von -25 bis +40°C aufbewahrt und transportiert werden können, zur Verfügung Auch bei einer Unterbrechung der Stromzufuhr kann die Box ihre Innentemperatur bis zu 24 Stunden durch Akkubetrieb konstant halten. Durch ihre robuste Struktur kann sie auch sicher über weite Strecken transportiert werden.
Während der „Airpower“ herrscht in der Feldapotheke Hochbetrieb und die Militärapotheker:innen haben alle Hände voll zu tun, um alle Aufträge abzuarbeiten. Gleichzeitig wird dabei die Zusammenarbeit mit den anderen Einheiten des militärischen Sanitätswesens trainiert und optimiert, sodass alle Rädchen ineinandergreifen. So wichtig und umfangreich die Vorbereitungen und Übungen für den Ernstfall aber auch sein mögen, bleibt natürlich abschließend zu hoffen, dass dieser möglichst nie wieder in großem Maßstab eintritt und Europa baldmöglichst wieder den Weg zum Frieden auf dem ganzen Kontinent findet.