Rund 14.000 Soldat:innen, 8.000 Zivilbedienstete und 7.000 aktive Grundwehrdiener:innen zählt das Bundesheer derzeit. Hinzu kommen rund 30.000 Milizsoldat:innen. Bei so vielen Menschen kommt es natürlich auch in Friedenszeiten immer wieder zu Verletzungen und Erkrankungen, die medizinisch versorgt werden müssen – wofür es wiederum Arzneimittel und Medizinprodukte (z.B. Verbandmittel, Desinfektionsmittel oder Infusionen) benötigt. Militärapotheker:innen kümmern sich um die Beschaffung, Bevorratung und Distribution dieser wichtigen Güter innerhalb der Sanitätsstrukturen des Bundesheeres.
Militärpharmazeutische Zusatzausbildung erforderlich
„Die Grundvoraussetzungen, um Militärapotheker werden zu können, sind, wie bei einer zivilen Apothekerlaufbahn, ein erfolgreich abgeschlossenes Master-Studium der Pharmazie sowie das Erlangen der allgemeinen Berufsberechtigung als Apotheker durch das Bestehen der Aspirantenprüfung. Um die militärspezifischen Anforderungen, Strukturen und Abläufe kennenzulernen, muss zudem beim Bundesheer noch eine mehrmonatige, militärpharmazeutische Zusatzausbildung absolviert werden. Anschließend kann man als Feldapotheker dienen“, erklärt Oberstapothekerin Mag. Martina Lexa, welche die Heeresapotheke im Sanitätszentrum Ost in Wien-Stammersdorf leitet.
Das Sanitätszentrum Ost – eines der landesweit vier großen medizinischen Militärkrankenanstalten des Bundesheeres, in dem Soldat:innen und Bedienstete ambulant und stationär behandelt werden – ist von der Größenordnung her mit einem Bezirkskrankenhaus vergleichbar. Magistra Lexa stellt gemeinsam mit ihren Mitarbeiter:innen in der Heeresapotheke sicher, dass die dort benötigten Arzneimittel stets verfügbar sind und dass Anforderungsscheine der verschiedenen Stationen im Sanitätszentrum rasch abgearbeitet werden. Die Arzneimitteldepots in den Kasernen in ihrem Versorgungsgebiet werden ebenfalls von der Heeresapotheke pharmazeutisch betreut. Die Sanitätseinrichtungen in den beiden anderen Regionen (Süd- und Westösterreich) werden von weiteren Bundesheer-Militärapotheker:innen versorgt.
„Von der Aspirin-Tablette bis zum OP-Tisch“
In der Regel erhalten Magistra Lexa und ihre Kolleg:innen erforderliche Medikamente über ein heereseigenes Logistiksystem aus einem der beiden großen Sanitätslager, die das Bundesheer in Wien und Eisenerz betreibt. Mit dem steirischen Eisenerz wurde bewusst ein zweiter Standort gewählt, der sich weit abseits der erwarteten Hauptstoßrichtungen im Rahmen einer militärischen Schutzoperation befindet. Denn ein Sanitätslager kann im Ernstfall auch zum militärischen Ziel werden, auch wenn das den internationalen Regeln der Kriegsführung widerspricht.
Die an den beiden Standorten lagernden Arzneimittel und Medizinprodukte werden über das Verteidigungsministerium größtenteils direkt von den Herstellern bezogen. Auch in diese Beschaffungsprozesse sind Militärapotheker:innen mit ihrer Expertise involviert, um den Bedarf richtig einzuschätzen und einen wirtschaftlichen Einsatz von Steuermitteln zu gewährleisten. „Das Spektrum der Artikel in den Sanitätslagern reicht von der Aspirin-Tablette bis zum OP-Tisch“, berichtet Oberstapotheker Mag. Richard Wosolsobe, der in die strategischen Überlegungen und Beschaffungsprozesse eingebunden ist. Um für unerwartete Krisenfälle gerüstet zu sein, gibt es in den Sanitätslagern zu jeder Zeit gewisse Sperrbestände („Eiserne Reserve“), die nicht angegriffen werden.
Manche Artikel beschafft die Heeresapotheke allerdings – ähnlich wie öffentliche Apotheken – auch dezentral beim pharmazeutischen Großhandel. Und in sehr dringenden Fällen oder wenn eine bestimmte magistrale Rezeptur benötigt wird, wird die Beschaffung über ein eigenes Heeresrezept in einer öffentlichen Apotheke realisiert. Einige Arzneimittel werden auch selbst magistral im Labor der Heeresapotheke hergestellt. Neben Apotheker:innen arbeiten in der Heeresapotheke übrigens auch pharmazeutisch-kaufmännische Assistent:innen („PKAs“), und dieser Beruf kann dort auch erlernt werden. Seit der jüngsten Novellierung des Apothekengesetzes können sich Wehrdienstleistende mit einem absolvierten Studium der Pharmazie die Dienstzeiten in der Heeresapotheke auch auf die Ausbildungszeit zur Erlangung des Staatlichen Apothekerdiplomes (Aspirantenjahr) anrechnen lassen.
Defektur für die Soldat:innen in großem Maßstab
Die Defektur – also die Herstellung von Rezepturen auf Vorrat – erfolgt beim Militär, im Vergleich zu den öffentlichen Apotheken, übrigens in ganz anderen Mengen und ist speziell an die Bedürfnisse und Einsatzherausforderungen von Soldat:innen, wie z.B. lange Märsche oder Missionen in unwirtlichen Umgebungen, angepasst. So werden im Labor der Heeresapotheke beispielsweise in einem Durchgang gleich viele tausend Einheiten Gurgellösung, Kältesalbe, Sonnenschutz, Hautschutz, Lippensalbe und Fußpuder zubereitet. Während der Corona-Zeit wurden von der Heeresapotheke auch kurzfristig tausende Liter Desinfektionsmittel hergestellt, um die allgemeine Knappheit zu entschärfen.
Militärische Strukturen und Prozesse sind aber naturgemäß nicht nur für Friedenszeiten und Aufenthalte in der Heimat konzipiert, sondern auch für Kriegs- und Krisenszenarien sowie internationale Einsätze. Das gilt auch für die Militärpharmazie. Welche Aufgaben und Herausforderungen auf Militärapotheker:innen im Ernstfall zukommen, wird im zweiten Teil dieses Beitrages (erscheint in Kürze) behandelt.