Apotheker:innen unterstützen Suchtpatient:innen im Rahmen der Drogenersatztherapie dabei, wieder ein geregeltes Leben führen zu können
Rund 35.000 Menschen in Österreich gelten als opioidabhängig. Diese verhängnisvolle Sucht (z.B. nach Heroin) wirkt auf Dauer zerstörerisch – auf Geist und Körper, aber auch auf das soziale Umfeld. Viele Betroffene verwahrlosen sukzessive, landen auf der Straße und sind dort noch zusätzlichen Gefahren ausgesetzt. Um Opioidabhängigen einen Weg zurück in ein geregeltes Leben zu ermöglichen, gibt es die Drogenersatztherapie (Substitutionsprogramm), bei der die öffentlichen Apotheken eine ganz wichtige Rolle spielen.
Ersatzmedikamente mindern Entzugssymptome ohne „Kick“
Betroffene erhalten im Rahmen diese Therapieform opiatbasierte Ersatzmedikamente (z.B. Methadon, Buprenorphin oder retardiertes Morphin), die die Entzugssymptome mindern, jedoch im Gegensatz zu Heroin und anderen illegalen Opiaten keine stark berauschende Wirkung entfalten. Der „Kick“, der mit dem Spritzen von Heroin verbunden ist, bleibt aus, da die oral eingenommenen Medikamente deutlich langsamer vom Körper aufgenommen werden („langsames Anfluten“). Ziel des Substitutionsprogramms ist primär, die Folgeerscheinungen der Opioidabhängigkeit abzumildern und die Betroffenen gesundheitlich und sozial so weit zu stabilisieren, dass sie ihren Alltag in einer tragfähigen Weise selbst bewältigen und mitunter auch wieder einer Arbeit nachgehen können, ohne den ganzen Tag auf die Droge und deren Nachbeschaffung fokussiert zu sein.
Nur Apotheken dürfen Ersatzmedikamente abgeben
Um einem Missbrauch der Ersatzmedikamente (z.B. Weiterverkauf an andere Abhängige) vorzubeugen, erfolgt deren Abgabe nur unter strengen Auflagen (u.a. Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verschreibung von einem spezialisierten Arzt) durch Apotheker:innen in öffentlichen Apotheken. „Manche Patienten müssen täglich in die Apotheke kommen und die Medikamente gleich bei uns vor Ort unter Aufsicht einnehmen. Andere Patienten bekommen die Substitutionsmedikamente für mehrere Tage, über das Wochenende oder auch für eine Woche mit. Das hängt davon ab, wie die Lebensumstände des Patienten sind und was der Arzt im jeweiligen Fall auf dem Rezept vermerkt“, berichtet Dr. Dominik Kaiser, der in seiner Apotheke in Wien-Simmering rund 200 Substitutionspatient:innen betreut. Je nach Verschreibung werden die Ersatzmedikamente in flüssiger Form oder als Kapseln bzw. Tabletten abgegeben. Die flüssigen Zubereitungen werden von den Apotheker:innen magistral und individuell für jede Patientin, jeden Patienten in der Apotheke hergestellt.
Rund um Drogensucht kursieren viele Vorurteile und nicht jede/r möchte mit Suchtkranken in Kontakt kommen. Dr. Kaiser hat bei seinem jahrelangen Engagement in der Betreuung von Opioidabhängigen allerdings nur wenige negative Erfahrungen gemacht. „Der Großteil unserer Substitutionspatienten sind nette Leute, mit denen man ganz normal arbeiten kann und die man nicht diskriminieren sollte. Opioidabhängigkeit ist keine Charakterschwäche, sondern eine schwere psychische Erkrankung und die Entzugserscheinungen sind mit massiven körperlichen Schmerzen verbunden. Die meisten Betroffenen hatten es in ihrem Leben auch nicht einfach. Viele wurden Opfer von Gewalt, Missbrauch oder dem Drogenkonsum Angehöriger. Arbeitende Substitutionspatienten befinden sich oft in prekären Arbeitsverhältnissen, bei denen die Vulnerabilität durch ihre Abhängigkeit mitunter ausgenutzt wird.“ Das Substitutionsprogramm soll diesen Menschen eine Möglichkeit bieten, wieder auf die Füße zu kommen, ist allerdings auch an Bedingungen geknüpft. So müssen die Patient:innen beispielweise durch regelmäßige Harnkontrollen nachweisen, dass sie zusätzlich zu den Ersatzmedikamenten keine anderen Substanzen einnehmen.
Schutz vor den Begleitgefahren des illegalen Drogenkonsums
Ein Teil der Patient:innen im Substitutionsprogramm schafft es, langfristig ganz ohne Ersatzmedikamente (und illegale Drogen) auszukommen – das ist der Idealfall, aber nicht die Regel. Viele Patient:innen verbleiben dauerhaft im Substitutionsprogramm, was in gewisser Hinsicht auch als Erfolg zu werten ist. „Die Betroffenen werden dadurch vor den Gefahren wie einer Überdosis oder Vergiftung durch Verunreinigungen geschützt, die ein Konsum von illegalen Drogen auf der Straße mit sich bringt. Und für den Körper sind die Nebenwirkungen der Ersatzmedikamente deutlich harmloser als beispielsweise der legale Alkohol, in den erfahrungsgemäß leider viele abrutschen, wenn die Opioid-Abstinenz nicht stabil ist. Vielen unserer Patienten ermöglicht das Substitutionsprogramm einen weitgehend normalen Alltag“, erklärt Dr. Kaiser. Um Suchtkranke vor der Übertragung von Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis in der Drogenszene zu schützen, tauscht seine Apotheke im Rahmen einer Kooperation mit der Suchthilfe Wien auch kostenlos Nadeln und Spritzen.
Neben der individuellen Hilfe für die Betroffenen hat das Substitutionsprogramm auch positive Effekte für die Gesellschaft. So trägt es dazu bei, einer Verwahrlosung des öffentlichen Raumes entgegenzutreten und beugt Beschaffungskriminalität vor. Für die Apotheker:innen ist die Arbeit mit Substitutionspatient:innen im Alltag manchmal herausfordernd, aber ein wichtiger Beitrag, um niemanden zurückzulassen.