Wasser ist nicht nur unser wichtigstes Grundnahrungsmittel, sondern unser Körper besteht auch zu rund 70 Prozent daraus. Ohne Wasserzufuhr kann er nur wenige Tage überleben. Die kontinuierliche Versorgung mit sauberem Trinkwasser und die Entwicklung zuverlässiger Abwassersysteme haben eine der größten Hygieneverbesserungen in der Geschichte der Menschheit bewirkt. Umso wichtiger ist es auf dieses kostbare Gut sorgfältig aufzupassen. Dazu gehört auch ein durchdachter Umgang mit (alten) Medikamenten.
Denn moderne Medikamente haben zwar eine hohe Bedeutung für unsere Gesundheit sowie unser Wohlbefinden und haben das Leben von Milliarden Menschen verbessert, ihre Inhaltsstoffe können jedoch erheblichen Schaden in der Umwelt anrichten, wenn sie nicht fachgerecht und gesondert entsorgt werden. So können Medikamentenrückstände u.a. die Wasserqualität beeinträchtigen und sich negativ auf Fische, Amphibien, Wasserinsekten und andere aquatische Lebensformen auswirken, z.B. in Form von Fortpflanzungsstörungen, Verhaltensänderungen, Missbildungen oder erhöhter Sterblichkeit. Darum ist es wichtig, so gut wie möglich zu verhindern, dass Arzneimittel und ihre Abbauprodukte ins Wasser gelangen.
Alte Medikamente nicht in Toilette oder Abfluss entsorgen!
Vergleichsweise einfach zu erreichen ist das bei der Entsorgung von abgelaufenen oder nicht mehr benötigten Medikamenten. Durch eine Abgabe an den richtigen Annahmestellen können Umweltschäden leicht vermieden werden. Die öffentlichen Apotheken bieten die Rücknahme von alten Medikamenten und deren Weitergabe an die zuständigen Entsorgungsstellen als kostenlose Serviceleistung an. Und auch bei Problemstoffsammelstellen und Mistplätzen kann man alte Medikamente jederzeit kostenfrei abgeben. Bei diesen Stellen kann man sich sicher sein, dass umweltrelevante Substanzen achtsam und fachgerecht entsorgt werden. Keinesfalls sollten Alt-Medikamente hingegen in der Toilette oder dem Abfluss entsorgt werden, denn dann gelangen ihre Inhaltsstoffe unmittelbar ins Abwasser, woraus man sie schwer wieder entfernen kann.
Das ist auch das große Problem bei Rückständen von bereits eingenommenen Medikamenten, die über Urin oder Kot ins Abwasser geraten. Denn selbst modernste Kläranlagen können (noch) nicht alle Arzneistoffe bzw. deren Abbauprodukte aus dem Klärwasser herausfiltern. Nach der Abwasserreinigung gelangen sie weiter in Oberflächengewässer wie Flüsse und Seen, mit der Zeit auch ins Grundwasser und mitunter sogar ins Trinkwasser. Arzneimittelrückstände, die am Klärschlamm haften bleiben, können durch die Ausbringung des Schlamms als Dünger auf die Felder und damit in Nahrungsmittel geraten.
Viele Arzneimittelrückstände in der Umwelt nachweisbar
Um das Ausmaß von Arzneimittelrückständen in der Umwelt zu erfassen, hat das deutsche Umweltbundesamt eine Datenbank erstellt. Weltweit wurden inzwischen fast 1.000 unterschiedliche pharmazeutische Substanzen in der Umwelt nachgewiesen. Rund 770 bedenkliche Substanzen wurden im Ablauf von Kläranlagen festgestellt, über 700 in Oberflächengewässern sowie im Grund- und Trinkwasser. In österreichischen Abwässern wurden rund 70 Arzneistoffe bzw. deren Metaboliten nachgewiesen – von Hormonen aus Verhütungsmitteln über Lipidsenker und Antibiotika bis hin zu Schmerzmitteln.
Geiersterben durch Diclofenac-Rückstände
Das Schmerzmittel Diclofenac ist ein anschauliches Beispiel, wie ein beim Menschen gut wirksames Medikament in der Umwelt Schaden anrichten kann, wenn es nicht bedacht eingesetzt und fachgerecht entsorgt wird. So kam es in den 1990er Jahren zu einer rapiden Abnahme von Geierpopulationen in Südasien, insbesondere in Ländern wie Indien, Pakistan und Nepal. Es stellte sich heraus, dass dies auf die Aufnahme von Diclofenac zurückzuführen war. Wenn Geier das mit Diclofenac behandelte Fleisch von verendeten Nutztieren fressen, erleiden sie Nierenversagen und sterben. Dies führte zu einem massiven Rückgang der Geierpopulationen in der Region. Dies wiederum hatte weitreichende ökologische Auswirkungen, da Geier die Verbreitung von Krankheiten durch Aas verhindern und die Umweltgesundheit fördern. Auch bei Fischen treten negative Effekte durch den Kontakt mit Diclofenac auf. So wurden u.a. Schäden an Kiemen, Leber und Nieren bei Fischen berichtet, die in Gewässern leben, in denen das Schmerzmittel in nennenswerten Konzentrationen nachgewiesen wurde. Um zu verhindern, dass Diclofenac über das Abwasser in die Umwelt gelangt, wird empfohlen, sich nach dem Eincremen mit einer entsprechenden Salbe oder Creme die Hände zunächst mit einem Papiertuch abzuwischen und dieses im Restmüll zu entsorgen, bevor man die Hände mit Wasser abwäscht.
Richtige Entsorgung bei Antibiotika besonders wichtig
Bei Antibiotika – und insbesondere bei unsachgemäß entsorgten – kommt neben den negativen Konsequenzen für die Umwelt (z.B. Hemmung des Wachstums von Umweltbakterien, Pflanzen und Algen) noch eine weitere Gefahr hinzu: die Förderung von Antibiotika-Resistenzen und damit ein Wirkungsverlust dieser wichtigen Arznimittel. Denn selbst niedrige Konzentrationen von Antibiotika in der Umwelt können dazu führen, dass Bakterien, die diesen Substanzen ausgesetzt sind, eine Resistenz gegenüber diesen Antibiotika entwickeln. Bakterien, die bereits eine natürliche Resistenz oder Mutation gegen das Antibiotikum aufweisen, haben dann einen Überlebensvorteil und vermehren sich. Dies führt zu einer Zunahme der antibiotikaresistenten Bakterienpopulationen und raubt dem Medikament sukzessive seine Wirkung.
Verunreinigung auch durch Massentierhaltung und Produktionsabwässer
Als problematisch gilt mit Blick auf eine Verunreinigung des Wassers durch Arzneimittelrückstände auch der Einsatz von Medikamenten in großen Mengen in der Massentierhaltung. Durch die Ausscheidungen der Tiere oder durch unsachgemäße Entsorgung von Tierabfällen gelangen Arzneistoffe bzw. deren Reste oftmals relativ ungefiltert in die Umwelt. Ähnliches gilt in Teilen für die Arzneimittelproduktion, die inzwischen größtenteils in asiatischen Ländern stattfindet. Während des Herstellungsprozesses von Arzneimitteln werden große Mengen an Wasser benötigt, das oft mit verschiedenen Chemikalien, Lösungsmitteln und Rückständen aus den Produktionsprozessen in Kontakt kommt. Gerade in Ländern mit niedrigeren Umweltstandards als hierzulande werden diese Abwässer oftmals nicht ausreichend gereinigt, was zu einer Belastung von Oberflächengewässern und Grundwasser führt.
Noch keine Anzeichen für eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung im Trinkwasser
Anzeichen für eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für den Menschen durch Arzneimittelrückstände in unserem Trinkwasser gibt es derzeit allerdings nicht. Zwar können immer mehr Substanzrückstände nachgewiesen werden – was auch an der Verbesserung der Analysemethoden liegt –, doch die Konzentrationen sind in der Regel (noch) sehr gering. Die langfristigen Auswirkungen einer chronischen Aufnahme in niedrigen Konzentrationen auf die menschliche Gesundheit sind aber noch nicht ausreichend untersucht, auch nicht bei Risikogruppen wie Schwangeren, Älteren oder chronisch Kranken.
Um eine Orientierung zu geben, welche Mengen an Arzneimittel-Wirkstoffen und ihren Metaboliten im Wasser nachweisbar sein dürfen, ohne dass dadurch nach heutigem Kenntnisstand eine gesundheitliche Gefahr für den Menschen besteht, hat das Umweltbundesamt in Zusammenarbeit mit der AGES maximal tolerierbare Konzentrationen für 90 Arzneimittel-Wirkstoffe und Stoffwechselprodukte abgeleitet. Ausgewählt wurden Stoffe, die in hohem Umfang verbraucht werden oder aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften (z.B. Wasserlöslichkeit oder Langlebigkeit) für die Umwelt problematisch sind.