Die Diagnose Krebs bedeutete für sehr lange Zeit fast immer ein Todesurteil. Doch in den letzten Jahren wurden bei der Therapie von Krebserkrankungen enorme Fortschritte gemacht. Immer mehr Krebsarten wandeln sich durch moderne Behandlungsmöglichkeiten sukzessive zu chronischen Erkrankungen, mit denen Betroffene über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte gut leben können. Einen wichtigen Beitrag hierzu leisten Krankenhausapotheker:innen, die für Krebspatient:innen individuelle Medikamente unter aufwendigen Sicherheits- und Hygienestandards herstellen.
Medikamente wirken immer präziser gegen Krebszellen
„Die Heilungs- und Genesungschancen von Krebspatienten sind heute ungleich besser als vor zehn oder zwanzig Jahren. Während frühere Krebsmedikamente auch gesunde Zellen stark in Mitleidenschaft gezogen haben, ist die Therapie heute sehr viel zielgerichteter. Manche Medikamente erlauben beispielsweise das gezielte Angreifen eines bestimmten Oberflächenproteins auf den Krebszellen“, berichtet Krankenhausapothekerin Dr. Karin Nemec. In der von ihr geleiteten Anstaltsapotheke der Klinik Donaustadt werden jeden Tag knapp 100 patientenindividuelle Präparate zur Behandlung von Krebspatient:innen in den Kliniken Donaustadt und Floridsdorf hergestellt.
„Die Krebstherapie ist eine sehr individuelle Sache. Es gibt zwar Leitlinien für jede Krebsart, aber individuelle Faktoren wie Alter, Allgemeinzustand, Stadium der Krebserkrankung, Art und Zahl der Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten spielen auch eine wichtige Rolle“, erklärt Dr. Nemec. Welche Therapie für welche/n Patienten/Patientin in welchem Stadium am erfolgversprechendsten ist, besprechen die Apotheker:innen gemeinsam mit Onkolog:innen, Radioonkolog:innen und Chirug:innen im sogenannten „Tumor-Board“, einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, in der alle Informationen zusammengeführt werden und die Expertisen der verschiedenen Gesundheitsberufe einfließen. Daraus resultiert ein individuelles Therapieschema mit Behandlungszyklen, aus dem die Apotheke Protokolle für die benötigten Medikamenten ableiten kann. Bis die Herstellung eines Präparates beginnen kann, sind dann aus Sicherheitsgründen noch eine ganze Reihe Kontroll- und Freigabeschritte durch Ärzt:innen und Apotheker:innen erforderlich. Erst nach positivem Abschluss dieses Prozesses durch die Arzt- und Apotheken-Vidierung kann die eigentliche Zubereitung der Krebsmedikamente beginnen.
Zubereitung im Reinraum unter strengen Sicherheits- und Hygieneauflagen
Diese Zubereitung erfolgt unter strengen Sicherheits- und Hygieneauflagen (GMP-Regeln) in einem speziellen Reinraum, denn (Dosierungs-)Fehler oder Verunreinigungen können für die häufig immungeschwächten Patient:innen schwere Konsequenzen haben. Die Zahl der Partikel in der Luft wird durch moderne Technik kontinuierlich überwacht und alle Mitarbeiter:innen tragen in diesem Bereich spezielle Reinraumkleidung, die sie in Schleusen an- und ablegen und die lediglich den Augenbereich unbedeckt lassen. Nach der Zubereitung in einer speziellen Werkbank werden die Präparate noch einmal kontrolliert, steril verschweißt, über eine Schleuse heraustransportiert und zu den jeweiligen Stationen transportiert.
Die hohen Sicherheitsvorkehrungen sollen aber nicht nur die Patient:innen schützen, sondern auch das Apotheken- und übrige Klinikpersonal, denn Zytostatika (= wachstumshemmende Krebsmedikamente) bekämpfen zwar Krebszellen, sind aber auch toxische Substanzen und werden daher als CMR-Arzneistoffe eingestuft – also als Arzneimittel, die potentiell selbst krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend wirken können. Schulungen anderer Gesundheitsberufsgruppen zum sicheren Umgang mit Zytostatika gehören darum auch zum Aufgabengebiet der Krankenhausapotheker:innen.
Individuelle Begleitmedikation lindert die Nebenwirkungen
Im Körper der Patient:innen helfen die von den Krankenhausapotheker:innen hergestellten Medikamente, das Wachstum von Krebszellen zu hemmen und im Idealfall gänzlich zu unterbinden. Neben der operativen Therapie und der Bestrahlung zählt diese Therapieform - umgangssprachlich als Chemotherapie bezeichnete - zu den drei Hauptsäulen in der Behandlung von Krebs. Allerdings bringen auch neuere Zytostatika noch spürbare Nebenwirkungen mit sich. „Im Therapieprotokoll wird auch eine individuelle Begleitmedikation angelegt, die die negativen Wirkungen der Zytostatika abfedern und die Therapie für den Patienten verträglicher machen soll. Diese Medikamente beugen beispielsweise Knochenmarkssuppression vor, schützen die Nieren und reduzieren Übelkeit“, erklärt Mag. Barbara Hackenberger, eine auf die Krebsmedikamente spezialisierte Apothekerin in der Klinik Donaustadt.
Die Gabe der Krebsmedikamente und der Begleitmedikation erfolgt intravenös, subkutan und teils auch oral. Die Behandlungszyklen variieren je nach Krebsart und Stadium deutlich. Manchmal ist eine Anpassung der Begleitmedikation erforderlich (z.B. bei der Überschreitung von bestimmten Grenzwerten im Blutbild), um festgelegte Abstände im Therapiezyklus einhalten zu können. „Bei neuen Medikamenten sind bei der ersten Anwendung häufig allergische Reaktionen zu beobachten, darum werden bereits vorab Antihistaminika als Prä-Medikation eingesetzt und der erste Behandlungszyklus erfolgt zur Sicherheit oft stationär“, berichtet Hackenberger.
Fortschritte auch dank guter interdisziplinärer Zusammenarbeit
Die Fortschritte in der Krebsbehandlung sind auch der verstärkten interdisziplinären Zusammenarbeit in der Therapie zu verdanken. „Der Austausch mit den Ärzten und Pflegekräften funktioniert bei uns sehr gut. Wenn es etwas gibt, wenden sie sich sofort an uns und umgekehrt. Und im Tumor-Board klären wir gemeinsam viele aufkommende Fragen, damit alle Patienten die für sie optimale Therapie erhalten“, berichtet Hackenberger. Das trägt gemeinsam mit den pharmazeutischen Innovationen in der Krebstherapie dazu bei, dass auch Patient:innen mit heimtückischen und lange Zeit kaum behandelbaren Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Lungenkrebs Hoffnung schöpfen können.