beschlossen in der Trägerkonferenz des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger am 19. April 2016, verlautbart gemäß § 31 Abs. 5 Z 12 ASVG:
§ 1.1 (1) Diese Richtlinien regeln die Durchführung, Dokumentation und Qualitätssicherung von Kontrollen im Vertragspartnerbereich, zu denen die Sozialversicherungsträger gemäß § 32a ASVG2 verpflichtet sind.
(2) Vertragspartner im Sinn dieser Richtlinien sind Gesundheitsdiensteanbieter/-innen (§ 2 Z 2 GesundheitstelematikG 2012 – GTelG), die auf Grundlage privatrechtlicher Verträge Leistungen mit Sozialversicherungsträgern abrechnen. Dies sind folgende Gruppen von Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen:
(3) Als Vertrag gilt jedes Übereinkommen privatrechtlicher Art, durch das ein Gesundheitsdiensteanbieter/eine Gesundheitsdiensteanbieterin gegenüber einem Sozialversicherungsträger zu einer bestimmten Vorgangsweise berechtigt oder verpflichtet ist (Einzelvertrag, Gesamtvertrag, Rahmenvertrag, Abrechnungsübereinkommen, Rezepturbefugnis, Direktverrechnungsvertrag usw., auch wenn sie mit Wahlärzten/-ärztinnen und anderen Wahlbehandlern/-behandlerinnen bestehen).
(4) Sozialversicherungsträger im Sinn dieser Richtlinien sind die in § 2 Abs. 2 ASVG und in den §§ 23 bis 25 ASVG bezeichneten, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger angehörenden (§ 2 SatzungHV, avsv 4/2006) Versicherungsträger der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, soweit sie Verträge nach Abs. 3 abgeschlossen haben.
§ 2.1 (1) Kontrollen und die damit verbundenen Maßnahmen sind unter möglichster Wahrung der Interessen der Betroffenen zu gestalten. Vorgangsweisen, die den Zweck der Kontrolle nicht fördern, sind zu unterlassen.
(2) Die Sozialversicherungsträger und der Hauptverband haben einander auf Anforderung für die jeweils konkrete Kontrollmaßnahme alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für eine wirkungsvolle Durchführung zweckmäßig sind (§ 321 ASVG; § 183 GSVG, § 171 BSVG, § 119 B-KUVG). Zu diesen Unterlagen gehören auch
(3) Die Kosten von Kontrollmaßnahmen, Datenbeschaffung und deren Auswertung trägt jeder Sozialversicherungsträger für sich, falls an einer Maßnahme mehrere Sozialversicherungsträger beteiligt sind, jeder Beteiligte nach der Zahl seiner anspruchsberechtigten Personen im jeweiligen Land, soweit nicht eine andere Aufteilung vereinbart ist.
§ 3.1 (1) E-cards, die nach § 32a Abs. 1 ASVG eigens für Prüfpersonen des Versicherungsträgers für Zwecke der Kontrolle in den Fällen eines begründeten Verdachts oder nach dem Stichprobenplan im Vertragspartnerbereich ausgestellt werden, können nach folgenden Regeln ausgestellt werden:
(2) Über die Ausstellung der e-cards nach Abs. 1 ist eine Übersicht zu führen, auf deren Basis ermittelt werden kann, welche Folgebelege durch Nutzung dieser Karten ausgestellt wurden.
§ 4.1 (1) Der Stichprobenplan (§ 32a Abs. 1 letzter Satz ASVG) umfasst die geplante Vorgangsweise der Prüfung jener Fälle, in denen eigens hiefür ausgestellte e-cards bzw. e-card-Ersatzbelege nach § 3 verwendet werden sollen. Er ist für jedes Kalenderjahr schriftlich im Vorhinein zu erstellen und hat die Prüfungsschwerpunkte sowie den Gesamtumfang der Stichproben zu enthalten.,
(2) Hinsichtlich Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen, die zu mehreren Versicherungsträgern in vertraglichen Beziehungen stehen, sind die Stichprobenpläne trägerindividuell zu erstellen und mit den betroffenen Versicherungsträgern abzustimmen.
(3) Es ist organisatorisch sicherzustellen, dass derselbe Vertragspartner/dieselbe Vertragspartnerin von unabhängigen Kontrollen verschiedener Sozialversicherungsträger (z.B. Ordinationsbesuche) nicht mehrfach innerhalb kurzer Abstände (z.B. eines Quartals, Halbjahrs) betroffen ist.
(4) Die Stichprobenpläne sind so zu gestalten, dass sie kein regelmäßiges Muster von Prüfterminen erkennen lassen.
§ 5.1 (1) Die Kontrollen sind von jedem Sozialversicherungsträger entsprechend der individuellen Situation durchzuführen. Als Schwerpunkte für Kontrollen kommen in Betracht:
(2) Es obliegt dem Versicherungsträger, ob er diese Kontrollen durch eigene Bedienstete durchführt oder sich der Unterstützung Dritter bedient.
§ 6.1 (1) Vom Ergebnis einer Kontrolle sind die Sozialversicherungsträger des gleichen Versicherungszweiges, mit denen vergleichbare Leistungen abgerechnet werden, in geeigneter Form zu verständigen.
(2) Missstände, die einem Sozialversicherungsträger oder dem Hauptverband bekannt werden, sind den betroffenen Sozialversicherungsträgern zur Prüfung zu übermitteln. Diese haben der übermittelnden Stelle auf Anfrage eine Rückmeldung über die weitere Vorgangsweise bzw. das Ergebnis der Prüfung und die allenfalls getroffenen Maßnahmen zu geben.
(3) Falls sich bei einer Kontrolle ein Sachverhalt ergibt, dessen Untersuchung in die Zuständigkeit einer anderen Behörde fällt (z.B. sanitätsbehördliche Auflagen, Fahrtauglichkeit, Zuverlässigkeit nach waffen- oder sprengstoffrechtlichen Vorschriften), ist diese Behörde darauf hinzuweisen. Die Übersendung von Aktenteilen oder Dokumenten zur Einsichtnahme ist in diesem Zusammenhang nur auf konkrete Anforderung der jeweiligen Behörde im Amtshilfeweg zulässig.
§ 7.1 (1) Begründeter Verdacht (§ 32a Abs. 1 ASVG) besteht dann, wenn konkrete Informationen darauf hinweisen, dass eine rechts-, gesamt- bzw. einzelvertragswidrige Vorgehensweise des Vertragspartners/der Vertragspartnerin im Abrechnungsbereich vorliegt. Zur Überprüfung dieser Verdachtslage sind sämtliche Kontrollmaßnahmen wie z.B. Auswertung der Datenbestände, Überprüfung der Krankengeschichten, Nachbegutachtungen, Patientenbefragungen (persönlich, telefonisch oder mittels Fragebögen), Einsatz von Prüfpersonen, Befragung des Vertragspartners/der Vertragspartnerin und seiner/ihrer Mitarbeiter/-innen zulässig.
(2) Allfällige Mitwirkungsverpflichtungen für Versicherte enthält die Krankenordnung des jeweiligen Krankenversicherungsträgers.
§ 8.1 (1) Durch die Kontrolle der Vorgangsweise bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit soll gewährleistet werden, dass insbesondere
(2) Die Kontrolle darf nicht dazu führen, dass von der Krankschreibung von Patienten oder Patientinnen abgesehen wird, deren Symptome nicht mit angemessenen Mitteln objektivierbar sind.
§ 9.1 Der Vertragspartnerkontrolle unterliegt neben der Abrechnungskontrolle insbesondere auch die Prüfung,
§ 10.1 (1) Die Kontrollen und deren Ergebnisse sind unverzüglich nach Durchführung der Kontrolle und so zu dokumentieren, dass die Dokumentation eine taugliche Grundlage für die weiteren Maßnahmen der Versicherungsträger und ein allfälliges Verfahren vor Verwaltungsbehörden bzw. Gerichten bildet. In organisatorischer Hinsicht ist bei Kontrollen, welche die Zuständigkeit mehrerer Versicherungsträger berühren, zusammenzuarbeiten, wenn dadurch die Effizienz der Kontrolle gesteigert werden kann.
(2) Bei Kontrollen in der Ordination bzw. Betriebsstätte, Offizin usw. ist zumindest Folgendes zu dokumentieren, wobei auf die Feststellung möglicher Zeugenaussagen, die Sicherung von Sachbeweisen und Auswertungen zu achten ist:
(3) Forderungen sind schriftlich zu dokumentieren (Forderungsschreiben, zumindest Aktenvermerk über Gespräch einer Schlichtungsinstanz usw.).
(4) Entstehen und Durchsetzung von Forderungen sind in Fällen grundsätzlicher Bedeutung für alle Versicherungsträger dem Hauptverband zur Entscheidung über die Gewährung von Rechtsschutz in einschlägigen Verfahren mitzuteilen (§ 31 Abs. 3 Z 8 ASVG). Dieser Rechtsschutz umfasst auch die Erstellung von Gutachten auf wissenschaftlicher Ebene.
(5) Im Rahmen von Kontrollmaßnahmen sind im konkret notwendigen Ausmaß auch Daten Dritter insoweit zu untersuchen, ob dabei (z.B. Abrechnungen von unrichtigen Rezepten durch Apotheken) ein Zusammenwirken mehrerer Personen vorlag. In diesem Zusammenhang hat der Hauptverband bei Bedarf auch Auswertungen aus dem e-card-System bereitzustellen, aus denen die e-card-Nutzungen hervorgehen.
§ 11.1 Überprüfte Vertragspartner/-innen sind in geeigneter Weise im Nachhinein über die Durchführung einer Kontrolle unter Verwendung von e-cards bzw. e-card-Ersatzbelegen nach § 3 und gegebenenfalls über Auffälligkeiten und mögliche Vertragsverletzungen, zu informieren.
§ 12.1 (1) Personen, die Kontrollmaßnahmen durchführen, sind für ihre Aufgaben auszubilden. Ziel dieser Ausbildung hat zu sein, dass gleiche Sachverhalte bei gleicher Rechtslage zu gleichen Maßnahmen führen und inhaltliche Auffassungsunterschiede von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen nicht das Ergebnis von Kontrollmaßnahmen beeinflussen. Dabei sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
(2) Diese Ausbildung ist durch die Sozialversicherungsträger auf Grundlage der bei ihnen jeweils bestehenden Gegebenheiten vorzunehmen, dabei kann auf die beim Hauptverband im Rahmen seiner Aufgaben nach § 31 Abs. 4 Z 5 lit. a ASVG bestehende Organisation zurückgegriffen werden.
§ 13.1 (1) Dem Hauptverband ist als Grundlage für Beratungen nach § 32a Abs. 3 ASVG eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses aller Kontrollmaßnahmen in anonymisierter Form mindestens jährlich zur Information zu übermitteln. Der Hauptverband ist berechtigt, alle näheren Auskünfte zu erhalten, um auf deren Basis allfällige Rechts- oder Organisationsänderungen vorschlagen bzw. vornehmen zu können (§ 31 Abs. 3 Z 2 ASVG).
(2) Der Hauptverband hat zumindest halbjährlich einen Informationsaustausch der Sozialversicherungsträger über Maßnahmen nach § 32a ASVG und andere Kontrollmaßnahmen zu ermöglichen.
(3) Rechtskräftige Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden über Streitigkeiten betreffend Bestimmungen des Vertragspartnerrechts sind ab Inkrafttreten dieser Richtlinie den Sozialversicherungsträgern desselben Versicherungszweiges anonymisiert zur Verfügung zu stellen. Der Hauptverband hat hiefür eine nur sozialversicherungsintern zugängliche elektronische Dokumentationsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.
(4) Falls Anfragen in Zusammenhang mit einzelnen Kontrollmaßnahmen oder deren Ergebnissen beim Hauptverband eintreffen, hat dieser an den/die jeweils betroffenen Sozialversicherungsträger zu verweisen.
§ 14.1 Diese Richtlinien treten am Tag nach ihrer Kundmachung2 in Kraft.