Heute werden in den Labors der Apotheken nahezu ausschließlich Arzneimittel (u.a. Salben, Zäpfchen, Kapseln und Augentropfen) zubereitet – eine sehr wichtige und patientenindividuelle Versorgungsleistung für die Bevölkerung. Doch früher wurden die technisch gut ausgestatteten Labors teils deutlich breiter genutzt – auch für die Erzeugung von gefragten nichtpharmazeutischen Produkten. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Silberkugeln, die in der Weihnachtszeit den Christbaum zier(t)en.
In „Dieterichs Neuem Pharmazeutischen Manual“, das der thüringische Apotheker und Chemiker Eugen Dieterich im Jahr 1901 herausgab und das zur Sammlung der Bibliothek der Österreichischen Apothekerkammer zählt, findet sich beispielsweise folgende Vorschrift zur Herstellung eines geeigneten Tauchbades, um Glaskugeln zu versilbern:
„5 g Silbernitrat löst man in 40 g destilliertem Wasser und vermischt mit einer Lösung aus 4 g Kaliumnatriumtartrat und 92 g destilliertem Wasser. Man setzt nun vorsichtig unter Umschwenken ca. 10 g Ammoniakflüssigkeit 10% bzw. so viel hinzu, bis sich der weiße Niederschlag gerade gelöst hat. Der Zusatz von Ammoniak muss sehr vorsichtig geschehen, da hiervon das Gelingen der Versilberung abhängt. Durch Verwendung von farbigen Glaskugeln lassen sich verschiedene Farben erzielen.“
Bei der Versilberungsprozedur musste mit Bedacht vorgegangen werden, denn die Zutaten waren nicht ganz harmlos: Ammoniakdämpfe wirken reizend auf Augen und Atmungsorgane und sollten deswegen nur in in gut belüfteten Räumen gehandhabt werden. Silbernitrat ist ätzend und kann die Haut oder Kleidung hartnäckig verfärben. Daher empfahl sich das Tragen von Schutzhandschuhen, um vorzubeugen, dass man die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel mit schwarzen Fingern verbringen musste.
Aus heutiger Sicht erscheint uns eine Vorschrift zur Versilberung von Dekorationsartikeln in einem pharmazeutischen Manual, also einem praxisorientierten Nachschlagewerk für Apotheken, merkwürdig. Doch vor 120 Jahren gab es noch keine industrielle Fertigung solcher Güter und viele Ausgangsstoffe waren teuer und schwierig in guter Qualität zu bekommen. Auch verfügten nur wenige Einrichtungen über die technische Ausstattung der Apotheken sowie das fundierte chemische Wissen ihrer Betreiber. Darum sprangen die Apotheken in die Bresche und übernahmen teils auch solche „fachfremde“ Aufgaben. Mit silberglänzenden Weihnachtskugeln dürften sie Jung und Alt jedenfalls viel Freude bereitet haben.