Der Apothekerberuf ist in Österreich heute sehr weiblich geprägt – rund 80 Prozent der Apotheker:innen sind Frauen. Beim Pharmaziestudium, dessen Absolvierung eine Voraussetzung für die Berufsausübung ist, gestaltet sich das Geschlechterverhältnis unter den Studierenden ähnlich. Allerdings war das nicht immer so. Der Zugang zum Pharmaziestudium und damit zu einer Laufbahn als Apothekerin war Frauen nämlich lange Zeit verbaut. Doch es gab einige bemerkenswerte Pionierinnen, die mit Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit viele Widerstände überwanden, schon sehr früh das Pharmaziestudium abschlossen und mit ihrem ermutigenden Beispiel den Weg für nachfolgende Frauen-Generationen geebnet haben.
Erste weibliche Pharmazeutinnen zur Zeit des Kaisertums
Als erste weibliche Absolventinnen eines Pharmaziestudiums auf österreichischem Gebiet gelten die beiden Schwestern Philippine und Konstanze Studzinski. Nach der dritten Teilung Polens (1795) waren in den an Österreich gelangten polnischen und ukrainischen Landesteilen (Galizien und Lodomerien) die pharmazeutischen Studien- und Prüfungsordnungen Österreichs von 1804 bis 1889 gültig. Und obwohl in Österreich Frauen erst ab 1878 Vorlesungen als Gasthörerinnen besuchen durften, setzte Josef Sawiczewski, ein fortschrittlich denkender Professor für praktische Pharmazie, toxikologische und medizinische Chemie an der Universität Krakau (Alma Mater Cracoviensis), die Sponsion der Studzinski-Schwestern als erste weibliche Pharmaziestudentinnen im Jahre 1824 zu Magistraen der Pharmazie durch.
Fast 80 Jahre später, am 21. Juni 1903, kam es auch in Klausenburg (Kolozsvär) zu einem Novum an der örtlichen Universität: Serafine Thinagl erhielt als erste Frau ihr Diplom als Magistra Pharmaciae. 1905 folgten mit Ella Reti, Klara Glöckner und Vilma Hints drei weitere Absolventinnen – alle drei hatten die Magisterprüfung mit Auszeichnung abgelegt. Die erste Pharmazeutin in der österreichischen Monarchie war Friederike Reich aus Krakau, die an der Universität von Lemberg am 18. Juli 1905 das Studium erfolgreich abschloss.
Frieda Scheint als erste Pharmazie-Absolventin an der Universität Wien
Auf dem Gebiet des heutigen Österreichs gilt Frieda Scheint als erste Absolventin eines Pharmaziestudiums. Am 24. Juli 1905 legte die aus Lechnitz (Siebenbürgen) stammende Apothekerstochter das pharmazeutische Rigorosum ab und wurde so erste Magistra pharmaciae an der Universität Wien. Erst im Jahr 1900 waren Frauen durch eine Verordnung überhaupt zum Studium an der medizinischen Fakultät und somit zum Pharmaziestudium an der Wiener Universität zugelassen worden. Ein Jahr nach Scheint folgten mit Paula Fiehn und Gisela Kun zwei weitere Absolventinnen.
Nach dem erfolgreichen Studium kehrte Frieda Scheint nach Siebenbürgen zurück und vermählte sich 1908 mit dem Pharmazeuten Mag. Hugo Seidnitzer aus Lechnitz. Fortan führte sie den Namen Frieda Seidnitzer. Rund um das Jahr 1922 dürfte sie die Apotheke ihres Vaters als Erbin übernommen haben.
Damals sah man den Eintritt von Frauen in den Apothekerberuf innerhalb des Standes aus vielerlei Hinsicht sehr skeptisch und eher argwöhnisch. Man befürchtete einen Ansehensverlust sowie einen starken Zustrom von Kolleginnen in die Apotheken und sah den gesicherten Verdienst des Mannes in Gefahr. Eine, wie sich zeigen sollte, unbegründete Sorge. Denn der Ansturm von Pharmaziestudentinnen blieb anfangs aus. Erst nach bzw. während des Ersten Weltkriegs änderte sich die Situation. Pharmazeuten mussten Kriegsdienst versehen, und die Apothekenbesitzer waren froh, wenn sie Pharmazeutinnen einstellen konnten. Nach dem Krieg stieg das Interesse der Frauen am Pharmaziestudium rasch und stetig an. 1923/24 war bereits die Hälfte alle Pharmazieabschlüsse der Wiener Universität in weiblicher Hand. Aus dem Hause Scheint kam übrigens noch eine weitere Pharmazie-Absolventin: Die jüngere Tochter von Frieda Scheint trat in die Fußstapfen ihrer erfolgreichen Mutter und wurde ebenfalls Apothekerin.
Gleiche Entlohnung der Geschlechter seit über einem Jahrhundert
Fortschrittlicher als bei der zögerlichen Akzeptanz von Frauen im Pharmaziestudium und im Apothekerberuf zeigte sich der apothekerliche Berufsstand in Österreich bei der Entlohnung der angestellten Apothekerinnen. Hier war man anderen Branchen um Jahrzehnte voraus. Denn schon im Jahr 1908 wurde mit der Pharmazeutischen Gehaltskasse ein berufsstandspezifisches Sozial- und Wirtschaftsinstitut geschaffen, zu dessen Hauptaufgaben die leistungsgerechte Besoldung aller in Österreich tätigen Apotheker:innen unabhängig vom Geschlecht zählt. Ein klares, einheitliches Lohnschemata garantiert seitdem, dass weibliche und männliche angestellte Apotheker:innen das gleiche Einkommen beziehen. Durch das Gehaltskassengesetz im Jahr 1919 wurde dieses Besoldungssystem bundesweit für alle Apotheken verpflichtend. Dieses Modell hat sich über ein Jahrhundert bewährt und beugt noch heute Geschlechter-, Alters- und Teildienstdiskriminierung vor (siehe auch: Equal Pay Day).